
Drei Stimmen aus verschiedenen Himmelsrichtungen treffen sich im Hochschwarzwald und feierten beim Kleinkunstfestival Hochschwarzwald 2010 ihre Premiere mit ihrem Programm "Aus dem Schrank". Drei Frauen zwischen Alltagswahnsinn und Selbstverwirklichung ... mit dabei sind Rex Gildo und ABBA genauso wie Swing, Soul und Humor. Die drei SängerInnen (v.l.) Martina Freytag, Martje Vande Ginste und Eva-Maria Jacober singen mal solo mal background und flirten mit ihren Stärken, Schwächen und dem Publikum.
Rezension: Badische Zeitung - Titisee- Neustadt vom 30. Oktober 2012
Such’ dir den Mann zum Träumen
Drei Frauen zwischen Alltag und der Suche nach der Liebe: Das Vokalkabarett "nur Die".
Na also, geht doch! Die Verwandlung der Martina Freytag (vorne) vom biederen Mauerblümchen zur feschen Frau. Eva-Maria Jacober (links) und Martje Vande Ginste halfen kräftig mit. Foto: Hans-Jochen Köpper
SCHLUCHSEE. Die Frauenvereinigung Blasiwald hatte eingeladen, und trotz des Schnees und der Eiseskälte waren die 120 Sitzplätze im Haus des Gastes restlos besetzt. "Mann" fühlte einen leichten Frauenüberschuss, was daran gelegen haben dürfte, dass die Darstellerinnen mit ihrem Programm "Aus dem Schrank" ihre Befindlichkeiten zum Verhältnis der beiden Geschlechter gesanglich beleuchteten. Ein Thema, das traditionell wohl eher weiblich besetzt ist.
"nur Die", das sind drei Frauen aus Hinterzarten und Breitnau, die seit einem Jahr "Vokalkabarett" machen. Eva-Maria Jacober als "femme fatale", leicht anrüchig, extravagant und dem Anschein nach stets mit der Frage beschäftigt: Passt "er" in mein Beuteschema oder nicht? Ihr an die Seite gestellt der in jeder Hinsicht gelungene Gegenentwurf war Martje vande Ginste, die, meist leicht unbeholfen, das Leben gerade so nimmt, wie sie von ihm getroffen wurde. Meist mit voller Wucht. Und am Klavier Martina Freytag, die irgendwo zwischen Blümchenkleid und emanzipiertem Westernoutfit ihren Platz in dieser Männerwelt sucht.
So stolperten die drei gekonnt durch den Alltag, stets auf der Suche nach dem ultimativen Liebesglück, nach dem einen, mit dem denn alles gut wird.
Außerordentlich trittfest allerdings sind ihre musikalischen Qualitäten. Martina Freytag am Klavier mit sowohl sicherer Hand als auch Stimme. Daneben Eva-Maria Jacober mit einem Einschlag von Chanson und Martje vande Ginste mit ihrem kräftigen Opernsopran.Es ging Schlag auf Schlag, mit zwei Dutzend Liedern, die bei einer Männerhitparade chancenlos wären, deren neue Texte dann aus vordergründig reiner Unterhaltung aber hintergründiges (Vokal)Kabarett machten. Eine Mischung aus Reminiszenz wie "Bei mir bist Du schön" (die Andrew Sisters hätten ihre Freude daran gehabt!) über "Raindrops keep fallin’ on my head" bis zu Schmachtfetzen wie "Dancing Queen" oder (vorzüglich dreistimmig a capella gesungen) "Moon River". Ein musikalisch-sprachliches Spiegelbild des Lebens, schon von Filmheld Forest Gump als eine Pralinenschachtel beschrieben, in der zuweilen ein Stück Bitterschokolade drin ist.
Mit bekannter Musik und neuem Text zum Kabarett. Das machte Sinn. "Stand by your man" ist im Original zwar ansatzweise ein kritisches Lied, aber letztlich doch nur ein netter Honeymoonsong. In der deutschen Version von "nur Die" war es dagegen eine Aufzählung von grausamen Wahrheiten aus einem frustrierenden Hausfrauendasein, in dem Emanzipation und Selbstverwirklichung Fremdworte sind.
Wie nahe Glück und Unglück bei einander liegen, wurde im Lied "Du hast Glück bei den Fraun’ bel ami..." gekonnt parodiert: Martje schlenderte durch den Saal, füllte diesen auch ohne Mikrofon mühelos mit ihrer Stimme und schmachtete sich an einen von ihr erwählten Herzbuben aus dem Publikum, auf den wohl auch Eva-Maria ein Auge geworfen hatte. Ein unerhörter Rollentausch, der Fassungslosigkeit zurückließ, so dass nur ein Ausweg blieb: Eva-Marias theatralischer Bühnenselbstmord, jedoch nicht ohne zuvor all die Dinge abzulegen, (falsche Wimpern, Fingernägel, Schmuck und sogar Brusteinlagen... ), die eine Frau angeblich erst zur Frau machen. Dermaßen befreit, entstieg sie dann "aus dem Schrank", als unschuldige weiß gekleidete Braut. Schnödes Beiwerk kann eben nicht die wahre Liebe erzwingen...
Den Frauen hat dieser Abend sicher gefallen und wir Männer haben die eine oder andere Lektion ausgehalten, die uns mit erhobenen Zeigefinger, aber auch augenzwinkernd ins Stammbuch geschrieben wurde. Wir sind zwar nicht, wie Herbert Grönemeyer postulierte, "auf dieser Welt einfach unersetzlich", aber so ganz ohne uns geht’s dann (hoffentlich!) auch nicht.